Frankfurt Notes – Perception-Analyse: Plädoyer für einen anlassbezogenen Einsatz

Unternehmen und deren IR-Verantwortliche haben den Informationshunger von Investoren in den letzten zwei Jahren mit Hilfe virtueller Konferenz- und Roadshowformate gut stillen können – und vermutlich sogar viel besser, als dies Anfang 2020 realistisch erschien. Persönliche Beziehungen lassen sich dagegen kaum pflegen, wo physische Treffen unmöglich sind und sich keine informellen Begegnungen in Konferenzpausen oder abends an der Hotelbar ergeben. Was also bedeutet diese lange Phase virtuellen Speeddatings mit Blick auf den Kenntnisstand IR-Verantwortlicher über „ihre“ Investoren?

Sicher ist: Die Beobachtung des Aktienregisters und eine regelmäßige Shareholder ID helfen Veränderungen der Aktionärsstruktur im Blick zu halten. Einzelne Dienstleister mit günstigen Einstiegspreisen machen dies auch für kleinere Aktiengesellschaften erschwinglich. Was jedoch fehlt: Es gibt im virtuellen Kosmos kaum Raum für die inhaltliche Rückmeldung zu Unternehmensstrategie und -entwicklung, die über bloße Kauf- und Verkaufssignale hinausgeht. Dies gilt für den beiläufig geäußerten Hinweis, dass eine bestimmte Maßnahme besonders gut oder vielleicht weniger clever gewesen ist, ebenso wie für das Argument warum.

Diesen Raum zum Austausch schafft die Perception-Analyse, also die strukturierte Befragung von Stakeholdern zu Unternehmensentwicklung und -strategie sowie handelnden Personen. Fünf Punkte, die aus unserer Sicht über den Erfolg entscheiden:

Zusammenhänge statt Meinungsforschung. Erliegen Sie nicht dem Versuch, wahllos eine möglichst große Anzahl von Personen befragen zu lassen. Für handlungsrelevante Schlüsse sind aussagekräftige, vielfältige Argumente wichtiger als die prozentpunkt-genaue Abbildung einer Grundgesamtheit. Lassen Sie aktuelle Aktionäre ebenso wie eher kritisch eingestellte Investoren und Analysten zu Wort kommen. Ein gutes Dutzend Teilnehmer reicht.

Maßgeschneiderte Fragen statt Fragelisten von der Stange. In einer gut vorbereiteten Perception-Analyse mischen sich offene Fragen und Punkte mit einem sehr spezifischen Unternehmensbezug. Diese konkreten Punkte gilt es genau zu treffen, denn sie entscheiden über die Aussagekraft der Ergebnisse. Die Vorbereitung der Frageliste erfordert die Kenntnis Ihrer Equity Story und möglicher Angriffspunkte – und damit tiefes Verständnis für Ihr Unternehmen und den Kapitalmarkt. Die Frageliste behält im Blick, dass die Geduld der Teilnehmer und die Qualität der Antworten nach einer Dreiviertel-Stunde in aller Regel schwindet.

Fakten, Fakten, Bilder. Häufig ergeben sich bei assoziativen Fragen zusätzliche Erkenntnisse, da ansonsten verborgene Einschätzungen ans Tageslicht kommen. Ihr Unternehmen als Auto, Tier oder Schokoriegel? Ein Dacia Logan, ein Delphin oder eine Lindt Praline können Unausgesprochenes zum Ausdruck bringen. Diese illustrativen Ergebnisse sind häufig für die anschließende Besprechung mit dem Management besonders wertvoll.

Anlassbezogen statt purer Routine. Fragen Sie nicht aus einer Kalender-Routine heraus, sondern wenn es darauf ankommt: vor einem Strategiezyklus oder einem Investorentag, bei der Bestandsaufnahme für einen neuen Vorstand oder bei einer längeren Durststrecke der Aktie. Dies hilft Ihnen mehr und erhöht gleichzeitig die Bereitschaft Ihrer Teilnehmer, ausführlich und offen Antwort zu geben. Viele Investoren werden bereits Ihre Bereitschaft wertschätzen, sie an wichtigen Wegmarken zu befragen und die Ergebnisse in die Überlegungen des Unternehmens einzubeziehen.

Die richtigen Schlüsse ziehen. Die gelungene Auswertung einer Perception-Analyse hängt u.E. an zwei entscheidenden Faktoren: der Bereitschaft, genau hinzuschauen und auch Überraschendes und Kritisches aufzugreifen, und der Fähigkeit, die Ergebnisse auf 3 oder 4 Kernbotschaften und abgeleitete Handlungsempfehlungen zu verdichten.

Mit diesen fünf Schritten lässt sich aus unserer Sicht mit begrenztem Zeit- und Ressourcenaufwand viel erreichen: Es lassen sich neue Einblicke in die Sicht wichtiger Stakeholder gewinnen. Dem Management und der IR-Leitung können daten-basiert Handlungsvorschläge an die Hand gegeben werden. Mit bereits wenigen, aber zielgerichteten Maßnahmen kann Ihre Wahrnehmung am Kapitalmarkt substanziell verbessert werden.