Frankfurt Notes – So gelingt Ihr „Say on Climate“

Im letzten Blogartikel haben wir eine der Überschneidungsflächen der IR- und ESG-Arbeit beleuchtet, nämlich Perception Studies. In diesem Beitrag geht es um ein weiteres Schnittflächenthema, das zum vielleicht meistdiskutierten Gegenstand der HV-Saison wurde: „Say on Climate“ („SoC“). Mit der GEA Group AG hielt im April 2024 das erste Unternehmen der DAX-Indexfamilie einen SoC ab.

Die bisherige Verbreitung von „Say on Climate“

Die SoC-Initiative wurde erst 2020 durch Hedgefondsmanager und „The Children’s Investment Fund“-Gründer Chris Hohn gegründet. Die meisten Unternehmen, die bisher eine SoC-Abstimmung abgehalten haben, sind in Branchen tätig, die mit hohen Treibhausgasemissionen in Verbindung gebracht werden. Dazu gehören beispielsweise der Energiesektor oder die Immobilienbranche. Eine Sonderrolle spielt der Finanzsektor, denn auch einige dieser Unternehmen, wie Amundi oder Credit Suisse, führen SoC durch.

Global gab es 2023 allerdings weniger SoC-Abstimmungen als im Jahr davor (2022: 43, 2023: 28), was daran liegen dürfte, dass auch die Pioniere der Bewegung allenfalls im mehrjährigen Rhythmus über ihre Klimastrategie abstimmen lassen werden.

Erfolg beruht auf konsequenter Vorbereitung

In Deutschland hat 2024 mit der GEA Group AG das erste Mitglied der DAX-Indexfamilie über seine Klimastrategie abstimmen lassen. Die Aktionäre stimmten mit dem herausragenden Ergebnis von 98,44 % zu. GEAs „Klimaplan 2040“ umfasst die kurz-, mittel- und langfristigen Ziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette inklusive des Zeitplans, der Handlungsfelder und notwendigen Investitionen. GEAs Weg zu Netto-Null-Emissionen im Jahr 2040 basiert auf drei Säulen: Transformation der eigenen Betriebsabläufe (Scope 1 und 2), Transformation des Produktportfolios (Scope 3 nachgelagert) und Dekarbonisierung der Lieferkette (Scope 3 vorgelagert). Um die Dekarbonisierung der Standorte bis 2040 zu erreichen, rechnet die GEA Group AG mit Investitionen von 175 Millionen Euro.

Generell erhielten Unternehmen in ihren Abstimmungspunkten zu SoC hohe Zustimmungsquoten. Durchschnittlich lag diese im Hauptversammlungsjahr 2023 bei 89 % und damit sogar etwas höher als im Vorjahr (87 %). Laut einer Studie von Morningstar fiel die Unterstützung durch 25 institutionelle Investoren wie z.B. BlackRock, Amundi oder DWS Investments jedoch von über 90 % (2021) auf etwa 70 % (2022 und 2023).

Für die Interpretation solcher Zahlen ist wichtig, dass die Abstimmung immer nur das Stimmungsbild der aktuellen Aktionärsbasis einfangen kann. Besonders klimabewusste Investoren mögen nicht investiert sein und daher auf der Hauptversammlung gar nicht abstimmen können – oder andere von einer als überambitioniert empfundenen Klimastrategie abgeschreckt und daher ebenfalls nicht vertreten sein.

Darüber hinaus befinden sich Unternehmen in vielen Fällen (zumindest kurzfristig)  in einem Spannungsfeld zwischen Profitabilität und Nachhaltigkeit. Wenn ein ambitionierter Klimaplan dem Betrieb zum direkten wirtschaftlichen Vorteil gereicht, werden Investoren eher hohe Zielsetzungen unterstützen. Stehen Nachhaltigkeit und Profitabilität (kurzfristig) in Konflikt miteinander, führt das zu Herausforderungen. Hier sind umfangreiche Erläuterung und entsprechende Transparenz, Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg und Unterstützung durch den Vorstand unabdingbar.

„Say on Climate“ als Element der nachhaltigen Unternehmensführung

Unternehmen, die sich für das Konzept interessieren, sollten aus unserer Sicht daher vor allem die folgenden Punkte beachten:

  1. Strategie first, Abstimmung second. Nur mit einer gut ausgearbeiteten, transparenten und wissenschaftlich bestätigten Klimastrategie können Sie ein aussagekräftiges Votum und hohe Zustimmung Ihrer Aktionäre erwarten. SoC sollte daher nur für diejenigen Unternehmen ein Thema sein, die ihre Hausaufgaben bei der Klimastrategie bereits erledigt haben, was die Unterstützung durch den Vorstand voraussetzt.
  2. Die intensive Beschäftigung mit Best-Practice-Beispielen sowie den ESG-Anforderungen von Stimmrechtsberatern und wichtigen institutionellen Investoren vermittelt Ihnen einen Eindruck, ob Ihr Klimaplan bereits zustimmungsfähig ist. Für eine bestmögliche Vorbereitung empfehlen wir eine gut konzeptionierte Perception-Studie, mit der Sie die Wahrnehmung des Status Quo und die Erwartungen wesentlicher Kapitalmarktakteure präzise einfangen.
  3. Geben Sie dem Klimaplan in der laufenden IR-Arbeit und auf Corporate-Governance-Roadshows im Vorfeld der Hauptversammlung ausführlich Raum. Seien Sie auf viele Fragen rund um seine Stringenz, aber auch zu den wirtschaftlichen Effekten und den verbundenen Ertragschancen und Kosten vorbereitet.
  4. Ein überzeugendes Votum ist Startschuss, nicht Schlusspunkt. Bereiten Sie sich darauf vor, Ihren Investoren eine laufende, transparente Berichterstattung zu den Schlüsselindikatoren Ihrer Klimastrategie bereitzustellen. Diese werden Transparenz einfordern, um den Fortschritt Ihrer Aktivitäten nachvollziehen zu können.
  5. Abstimmungen über Änderungen an Ihrer Strategie oder auch nur Berichte über Fortschritte: Die Entscheidung, Ihre Klimastrategie zur Abstimmung zu stellen, setzt die Bereitschaft voraus, dies im mehrjährigen Turnus zu wiederholen.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass SoC einen wichtigen Baustein und Ansatz zur Förderung nachhaltiger Unternehmenspraktiken darstellen kann. Weil dieses Thema sowohl ESG als auch Investor Relations, Legal und Strategie betrifft, sollte es bereichsübergreifend angegangen werden. Kontaktieren Sie uns, wenn Sie Fragen haben, wie Sie Ihre ESG-Strategie und Ihre Investor Relations-Arbeit optimal aufeinander abstimmen können.