Frankfurt Notes – ESG und Perception-Studien

Perception-Studien spielen in der IR-Arbeit eine ähnliche Rolle wie Wesentlichkeitsanalysen in der modernen ESG-Arbeit. Grundsätzlich geht es darum, die Wahrnehmung des Unternehmens durch relevante Kapitalmarktteilnehmer zu ermitteln, um mögliche Schwachstellen zu identifizieren, bevor sie für das Unternehmen kritisch werden. Im IR-Kontext kann sich Handlungsbedarf bereits dann ergeben, wenn den Investoren die Sinnhaftigkeit der ESG-Strategie des Unternehmens unklar oder – wie wir in unseren Analysen häufig feststellen – gar nicht bekannt ist.

Im Rahmen von Wesentlichkeitsanalysen sprechen wir von „doppelter Wesentlichkeit“, d.h. dem Einfluss des Unternehmens auf ESG-Faktoren und umgekehrt dem Einfluss von ESG-Faktoren auf das Unternehmen. Ein klassisches Beispiel für Letzteres ist der Fachkräftemangel, aber auch die Folgen des Klimawandels gehören dazu. Ein Unternehmen, das von der Ressource Holz abhängig ist, kann von vermehrten Waldbränden betroffen sein und muss dokumentieren, wie es mit diesem Risiko umgeht.

Für kapitalmarktorientierte Unternehmen ist die Integration von ESG-Themen in eine Perception-Studie auch deshalb sinnvoll, weil sie sich an eine sehr spezifische Teilnehmergruppe richtet.  Sie kann Aufschluss darüber geben, wie wichtig verschiedene ESG-Themen am Kapitalmarkt eingeschätzt werden oder welche ESG-Ratings als besonders relevant angesehen werden. Sie hilft, die Wahrnehmung des eigenen Ambitionsniveaus (auch im Vergleich zu Wettbewerbern) abzubilden und ein sinnvolles Ambitionsniveau zu definieren. Anders als bei der Wesentlichkeitsanalyse liegt der Fokus also weniger darauf, alle wesentlichen Themen zu identifizieren, sondern die bisherigen und angekündigten ESG-Aktivitäten des Unternehmens durch die Kapitalmarktteilnehmer bewerten zu lassen.

Einblicke

Die Bedeutung der einzelnen ESG-Elemente variiert von Branche zu Branche. Die Dimension „E“ (Environmental) hat oft ein besonderes Gewicht in Sektoren mit ausgeprägten Umweltauswirkungen wie Energie, Automobil und Landwirtschaft. Unternehmen, die in diesen Bereichen tätig sind, werden besonders intensiv auf ihre Nachhaltigkeitsbemühungen geprüft. Auch hier kommt es auf die fachkundige Zusammenstellung und Interpretation einer Studie an: Wer nur bestehende Aktionäre befragt, kann auf eine geringe Wertschätzung von Umweltthemen stoßen; potenzielle Investoren können dies ganz anders sehen, weshalb z.B. auch nicht investierte Fonds zu einer gut zusammengestellten Analyse gehören.

Die Dimension „S“ (Social) steht in der Wahrnehmung hinter den beiden anderen Dimensionen zurück. Dies gilt für die allermeisten Branchen und zeigt sich auch immer wieder in den von uns durchgeführten Studien. Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich diese Dimension z.B. im Zusammenhang mit dem sich beschleunigenden demografischen Wandel und der Verknappung von Arbeitskräften entwickeln wird.

Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Investoren, auch solche, die sich insgesamt wenig für ESG begeistern, beim „G“, also den Governance-Themen, sehr genau hinschauen. Gerade bei angelsächsischen Investoren stellen wir immer wieder fest, dass Governance-Parameter ein hartes Ausschlusskriterium für ein Investment darstellen können.

Investoren betrachten starke Governance-Strukturen als Schutz vor finanziellen Unregelmäßigkeiten und unethischen Praktiken. Vor allem aber sehen sie darin ein Signal, dass die Interessen des Kapitalmarktes und des Streubesitzes angemessen berücksichtigt werden. Die Unabhängigkeit eines kompetent besetzten Aufsichtsrats, eine langfristige und leistungsorientierte Vergütung des Vorstands, das Prinzip „one share, one vote“ sowie eine transparente Berichterstattung sind Schlüsselindikatoren, die aus unserer Sicht im Vordergrund stehen. Unternehmen mit guten Governance-Strukturen werden insgesamt als risikoärmere Investments wahrgenommen.

Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen

Wesentlichkeitsanalysen und Perception-Studien ergänzen sich. Wer also nicht nur Themen identifizieren, sondern auch Strategien und deren Umsetzung bewerten lassen möchte, kommt um eine Perception-Studie nicht herum. Dabei empfiehlt es sich, ESG-Elemente in die Perception-Studie zu integrieren und idealerweise auch potenzielle Investoren einzubeziehen, die nicht (mehr) in das Unternehmen investieren. So erfährt man nicht nur, warum jemand in das Unternehmen investiert, sondern auch, was ihn davon abhält.

Im Rahmen unserer Perception-Studien stellen wir fest, dass auch Teilnehmer, die ESG-Themen nicht für besonders wichtig halten, sich intensiv zu „G“-Themen äußern. Dies gilt insbesondere für angelsächsische Investoren. Beispielsweise sind Themen wie die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats oder eine transparente Berichterstattung für Investoren sehr wichtig. Für Unternehmen bedeutet dies, dass es wichtig ist, Governance-Standards einzuhalten und Verbesserungen deutlich zu machen.

Inwieweit Investoren „E“-Themen adressieren bzw. welche Ambitionen sie von Unternehmen erwarten, ist von Branche zu Branche unterschiedlich. Spätestens dort, wo Nachhaltigkeitsaspekte erkennbar den langfristigen Geschäftserfolg bestimmen, schauen auch ESG-kritische Investoren genauer hin. Generell gilt: Jedes Unternehmen sollte zeigen, dass es sich bestimmter Risiken bewusst ist (Stichwort: Wesentlichkeitsanalyse) und klar kommunizieren, wie es mit Risiken umzugehen gedenkt.

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Ihre ESG-Aktivitäten durch eine qualifizierte Perception-Studie evaluieren lassen möchten. Wir unterstützen Sie gerne bei der Formulierung einer soliden ESG-Strategie, die den Anforderungen potenzieller Investoren gerecht wird und zu Ihrem langfristigen Geschäftserfolg beiträgt.